Picky Eaters

Extrem wählerische Esser sitzen bei den meisten Familien mit am Tisch: Menschenkinder mäkeln oft bis weit in das Grundschulalter hinein an allem herum, was neu, grün, gesund oder aus anderen unerfindlichen Gründen suspekt ist.  (Ich weiß wirklich, wovon ich schreibe.) Im Garten ist es wie am Esstisch: Es gibt extrem pingelige Esser – und solche, denen fast alles schmeckt. Als gute Gastgeberin versuche ich den Geschmack aller Besucher zu treffen – und so gebe ich mir auch außerhalb der Küche Mühe, ein möglichst vielfältiges Büffet anzubieten. Das ist im Fall meiner Gartenbewohner eigentlich ganz einfach: Nichtstun schlägt Aktionismus.

Waldohreule (Asio otus) in der Buche.

Mäusediät

Einer meiner liebsten Gäste ist die Waldohreule. Tagsüber schläft sie in einer Zeder an der Hausecke und beschwert sich über allzu penetrante Störungen.  Ihr Lieblingsessen kenne ich auch: Mäuse! Und aus der Kontrolle ihrer Gewölle weiß ich: Sie lebt den Traum meines Sohnes: Lieblingsessen – JEDEN Tag. Sie frisst Mäuse – und sonst nichts. Meine Untätigkeit in Sachen Mäuseverfolgung ist also in Wahrheit gelebte Gastfreundschaft!

Gewölle der Waldorheule. In jedem Gewölle steckt etwa ein Mäuseskelett-Bausatz plus Fell. Sie spukt täglich mehrere unter den Schlafbaum.

Das – oder gar nichts!

Es gibt noch mehr Gartenbewohner, die auf eine recht einseitige Kost angewiesen sind, um sich wohlzufühlen. Die Raupen einiger unserer schönsten Tagfalter  fressen monophag (also ausschließlich) an der großen Brennessel (Urtica dioica). Der bunte Tanz von Tagpfauenaugen, Kleinen Füchsen und Admiralen  im Schmetterlingsflieder meiner Nachbarin hängt also möglicherweise davon ab, dass ich die Brennnessel bewachsene Ecke hinter der Gartenhütte nicht „durchputze“.

Admiral- Kinder (Vanessa atalanta) fressen nur Brennesseln!
Auch die Raupen des Tagpfauenauges sind auf Brennesseln angewiesen.
Der Querbindiger Fallkäfer (Cryptocephalus moraei) mag nur Johanniskraut.

Ebenso pingelig ist der querbindige Fallkäfer Cryptocephalus moraei bei der Essenswahl: Er beschränkt sich zeitlebens auf Johnanniskraut (Hypericum) – und genau dort habe ich diesen auch gefunden.  Ob das jetzt noch als monophag gilt, verschiedene Johanniskrautarten zu fressen weiß ich nicht genau.

Wählerischer Nachwuchs

Juvenile Exemplare von Homo sapiens. Rechts oligophages, links polyphages Individuum

Die nächst flexiblere Stufe bei der Essenswahl wäre oligophag, also ungefähr wie mein Söhnchen: Man (fr)isst lediglich wenige ausgewählte Lebensmittel. Es gibt beispielsweise Bienen, die nur Pollen von wenigen Pflanzenfamilien sammeln. So sollen allein 10 Wildbienenarten auf Pollen von Glockenblumen-Arten (Campanula) festgelegt sein. Wählerische Pollensammler nennt man oligolektisch. Ich habe eine ziemlich übergriffige Glockenblumen-Art in meinem Staudenbeet, aber als Bienenmagnet, vor allem für Bienen mit Bauchbürste, sind sie unschlagbar. Ihre Aufenthaltserlaubnis ist also verlängert, und ich muss meine Zeit nicht der Abschiebung opfern.

Verschiedene Wildbienen ließen sich an meinen ziemlich übergriffig wuchernden Glockenblumen den ganzen Sommer über beobachten.

Unkomplizierte Esser

Die Honigbienen (Apis mellifera) sind beim Sammeln ihrer Babynahrung recht flexibel.

Polyphage Mitbewohner nehmen im Prinzip was kommt oder probieren halt, was das Büffet hergibt. Wie meine Tochter. Das dürfte ein Vorteil sein, denn das Schicksal allzu wählerischer Esser ist eng mit dem seiner Nahrung verbunden. Monophage Arten müssen mit ihrer „Beute“ im Gleichgewicht bleiben, ansonsten ist irgendwann Schicht im Schacht. Viele Gartenbesucher sind nicht so eng festgelegt. Honigbienen beispielsweise schlürfen den Nektar von den Blättern des Kirschlorbeer ebenso wie den von Lavendel- oder Löwenzahnblüten. Möglicherweise nützt die Aussaat bunter Blühmischungen mit „Sommerblumen“ eher solch robusten „Allesfressern“. Die Wählerischen (sagen wir lieber: Spezialisten) brauchen aber etwas anderes: „Unkraut“. Heimische Gewächse, an die sie sich in ungezählten Generationen angepasst haben. Ein weiterer Grund mehr Dinge wachsen zu lassen, die niemand gepflanzt hat.

Dieser Blattrüssler hat es sich auf einer „wilden“ Königskerze (Verbascum) gemütlich gemacht. Die Art ist schwer zu bestimmen, aber es gibt sogar eine, die aufgrund ihrer Spezialisierung „Königskerzen-Blattschaber“ heißt. Ich halte ihn hier allerdings eher für den Borstigen Blattschaber (Cionus olens), auch ein Königskerzen-Liebhaber.

Das Langrüsslige Stockrosen-Spitzmäuschen (Rhopalapion longirostre) trägt seine Spezialisierung auch schon im Namen. Meine Stockrosen könnten ohne seine Besuche schöner aussehen. Sei’s drum.
Der Igel (Erinaceus europaeus) mag Abwechslung und profitiert von Laubstreu voller Insekten, Gliederfüßern oder Schnecken. Schon wieder ein Gartenbewohner, der für überzogene Gartenhygiene nichts übrig hat.

Unbeliebte Retorten-Kost

Gefüllte Blüten und exotische Topfblumen bleiben dagegen oft verschmäht.  „Was der Buer nit kennt, dat frisst’er nich“, heißt es so schön in Westfalen, und das scheint auch für viele Vertreter der heimischen Tierwelt zu gelten. Meine im Winter an die Vögel verfütterte Erdnußbutter wurde nur von den Mutigsten probiert. Niederländische Singvögel kannten sich mit diesem Produkt deutlich besser aus – und flogen buchstäblich darauf.

Dillblüte (Anethum graveolens). So richtig üppig wollte meiner nicht wachsen. Ich starte demnächst einen neuen Versuch.

Ich strebe mittelfristig ein heimisches Wildpflanzenbüffet mit einzelnen exotischen Häppchen als Garnitur an, die experimentierfreudige Gartenbesucher von mir aus „mitessen“ dürfen. Demnächst plane ich noch ein besonderes Lieblingsgericht für einen ersehnten Gast anzubieten: Fenchel schmeckt nicht nur der Familie, sondern auch den Raupen unserer vielleicht schönsten Schmetterlingsart, dem Schwalbenschwanz . Seine Raupen mögen außerdem Dill und Möhrengrün. Ich bin gespannt, ob Papilio machaon die Einladung ans Hochbeet-Büffet annimmt.

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