Vergesst Maja!

An der berühmtesten Biene Deutschland, dem Zeichentrickstar Biene Maja, ist alles falsch. Maja und ihr Freund Willi sind „Bienenkinder“ in einer umfänglichen Ausbildung und Willi, die Drohne, fliegt den ganzen Sommer mit ihr in der Gegend herum. Jetzt soll man von einer japanischen-70er-Jahre Zeichentrick-Serie nicht zu viel Wissenschaftsnähe erwarten – aber tragischerweise prägt Maja die Vorstellungen ganzer Generationen.

Eine Honigbiene (Apis mellifera) sammelt schon im Februar Pollen am Haselstrauch (Corylus avellana). Honigbienen fliegen, sobald es die Temperaturen zulassen. Und sie sind nicht wählerisch, was ihren Proviant angeht. Als gut gepflegte Haustiere sind sie ihrer wilden Verwandtschaft gegenüber im Vorteil.

Bienensterben schafft Aufmerksamkeit

Wenn neuerdings alle die „Bienen retten“ wollen (spätestens seit dem grandiosen Roman von Maja Lunde) – denken mindestens ¾ der Menschen an Honigbienen. Die haben ein erstklassiges Image: Sozial, fleißig, und „nützlich“ indem sie zuerst die Obstbäume bestäuben und anschließend cremigen Honig liefern. Die Haltung von Bienen wird als gelebter Naturschutz beworben. Ich habe nichts gegen Imker, schon gar nicht gegen ihren Einsatz für pestizidfreiere Landwirtschaft, die allen Insekten und Wildtieren zugute kommt. Trotzdem: Honigbienen sind erstmal Haustiere. Und als solche konkurrieren sie um die Ressourcen mit hunderten anderen Arten- knapp 600 Wildbienenarten gibt es allein in Deutschland! Und die haben ganz andere Bedürfnisse als die Honigbienen.

Die Rotpelzige Sandbiene (Andrena fulva) ist auch schon früh im Jahr unterwegs, vorzugsweise an den Blüten der Stachelbeere (Ribes uva-crispa). Ihr Nest ist eine bis zu 30 cm tiefe Röhre, von der einzelne Brutkammern abzweigen.

Ein Honigbienenvolk sammelt etwa 25 Kilogramm Pollen im Jahr. Damit könnten rechnerisch über 100.000 Brutzellen der Rostroten Mauerbiene (Osmia Bicornis) versorgt werden. Manche Wildbienen sind außerdem ziemlich wählerisch, was ihre Sammelpflanzen angeht, während die Honigbienen ziemlich alles blühende verwerten können.

Majas wilde Schwestern

Hilfe und Aufmerksamkeit brauchen daher vor allem die Wildbienen. Bevor ich mit dem Blog begann, wusste ich über Wildbienen eigentlich gar nichts. Als nächstes schoss ich (meist etwas unscharfe) Fotos und wunderte mich, dass es absolut aussichtslos war, die abgebildeten Tiere zu bestimmen. Inzwischen habe ich verstanden, dass es hunderte Wildbienenarten gibt, von denen sich viele „im Feld“, also in lebendem Zustand, selbst von Experten nicht unterschieden lassen. Immer wenn ich denke  „die kenn ich!“, weil sie einen roten Pelz oder eine auffällige Bauchbürste hat, stelle ich anschließend fest, dass es duzende ähnliche Arten gibt, wobei Männchen und Weibchen sich auch noch unterscheiden und ihre Farbe im Laufe der Zeit verblasst.  Die Wildbienen sind also schwierig – und bezüglich der Frage „Wer wohnt in meinem Garten?“ kann ich höchstens grobe Familienzugehörigkeiten angeben (und selbst das oft nur mit Hilfe).  

Die Rotschopfige Sandbiene (Andrena haemorrhoa) auf den Blüten des Spitzahorn (Acer platanoides).
Weiße Bindensandbiene (Andrena gravida), mit weißem Bart im Gesicht. Diese Biene ist nicht gefährdet, auch weil sie an den Nistboden und die Pflanzenauswahl wenig spezielle Ansprüche zu haben scheint.
Die zweifarbige Sandbiene (Andrena bicolor) ist auch ein Allrounder mit wenig speziellen Ansprüchen – und häufig anzutreffen. Hier sammelt sie Pollen in den Glockenblumen – sie nimmt aber was sie bekommen kann.
Die Graue Sandbiene (Andrena cineraria) ist ziemlich groß und auffällig. Sie nistet ebenfalls im Boden, wo sie 10-25 (!) cm tiefe Niströhren gräbt. Hier ruht sie sich aber auf einem Salbeiblatt (Salvia officinalis) aus.

Einzelkämpfer ohne Honig

Unsere Wildbienen bilden auch keine „Schwärme“. Sie sind fast alle Einzelkämpferinnen. Ihre Nester beherbergen einzelne oder wenige Eier, in denen sich die Larven allein entwickeln. Viele legen ihre Nester im Boden an. Die populären Bienenhotels sind nur für wenige Wildbienenarten eine Nisthilfe. Mauerbienen kann man dort prima beobachten -und das ist vielleicht der eigentliche Verdienst dieser Nisthilfen: Den Erstkontakt nach Biene Maja herzustellen. 

Die Rostrote Mauerbiene (Osmia bicornis) an unserer Nisthilfe. Unten sieht man einen typischen Nestverschluss- Mörtel mit Struktur.

Die bekanntesten Vertreter am Insektenhotel sind Mauerbienen wie die Gehörnte Mauerbiene Osmia cornuta und die Rostrote Mauerbiene Osmia Bicornis. Sie sind mindestens ebenso effektive Bestäuber wie Honigbienen, in Japan werden bereits auf 75 Prozent der Anbauflächen Mauerbienen als Bestäuber eingesetzt, und auch in anderen Ländern setzt man inzwischen auf die Mauerbienen. Sie fliegen schon bei niedrigen Temperaturen und haben einen intensiven Kontakt zur Blüte, wo sie Pollen und Nektar gleichzeitig ernten.

Das könnte eine Gewöhnliche Löcherbiene (Heriades truncorum) sein.

An den Nestverschlüssen in den Holzbohrungen lässt sich übrigens erkennen, wer hier wohnt. Der Autor dieser tollen Wildbienenseite hat sogar einen eigenen Bestimmungsschlüssel für die verschiedenen „Zimmertüren“ im Bienenhotel erstellt.

Solche Verschlüsse mit kleinen Steinchen bauen Scherenbienen, etwa die Hahnenfuß-Scherenbiene (Chelostoma florisomne) im Frühling oder die Glockenblumen-Scherenbiene (Chelostoma rapunculi) ab Juni
Das ist wahrschienlich die Hahnenfuß-Scherenbiene (Chelostoma florisomne). Man sieht die Scheren ganz gut. Hier sitzt sie allerdings auf Löwenzahn (Taraxacum sect. Ruderalia).

Schaut man dann erstmal genauer hin, findet man winzige Bienen von wenigen Millimetern und große Holzbienen mit 3 cm Körperlänge und blau schimmerndem Panzer.  Eine Hilfe für zahlreiche Wildbienen sind übrigens offener, ungehackter Boden in den Beeten oder kahle Stellen im Rasen – also genau solche Orte, die ein ordentlicher Gärtner zu vermeiden sucht. Für Erdnester ist aber freier Boden mit  – je nach spezieller Vorliebe – lehmiger oder sandiger Konsistenz unverzichtbar – ein weiteres Argument gegen Aktionismus bei der Rabattenpflege.

Eine Blattschneiderbiene (Megachile). Man sieht deutlich die orange Bauchbürste zum Pollensammeln. Das abgesägte Blattstück meiner Heckenrose (Rosa canina) nimmt sie zum tapezieren ihres Kinderzimmers: Die Blätter werden gerollt und in Hohlräume gesteckt. Ihr beim Transport der vergleichsweise großen Blattsücke zuzusehen hat Spaß gemacht.
Das könnte eine Gelbbindige Furchenbiene (Halictus scabiosae) sein. Sie war 2018 Wildbiene des Jahres. Das Besondere: Sie bildet eine „Brutgemeinschaft“ mit mehrere Weibchen, die zusammen überwintert haben. Die Größte legt schon mal Eier und bewacht die Erdnester, die anderen schaffen Proviant ran. Sobald die erste Brut schlüpft, wird das Team aufgelöst und die „Sammel-Weibchen“ legen woanders eigene Eier.
Die Garten-Wollbiene (Anthidium manicatum) ist ein ziemlicher Brummer. Das hier ist ein Männchen, das den großen Lavendelbusch (Lavandula angustifolia) sehr aggressiv gegen andere Fluginsekten verteidigte. Das macht er für ein potentielles Weibchen. Eine Biene mit Revierverhalten, das war ziemlich spannend zu beobachten.

Bienen als Parasiten

Neben den fleißigen Pollensammlern gibt es – wie ich schon einmal bei den Hummeln beschrieb – auch noch Kuckuksbienen. Die sparen sich die aufwändige Anlage eines Nestes und legen ihre Eier in die Nester anderer Bienen – und zwar meist nur ganz speziell ausgewählter Arten. Dort fressen sie dann den Proviant des Wirtes. Bienen als Bienenparasiten – das passt nicht zum sauberen Image vom fleißigen Bienchen. Aber unsere an menschlichen Maßstäben ausgerichtete Vergabe von Sympathiepunkten für die Überlebensstrategie verschiedener Arten passt eben auch nicht in die Natur.

Eine Blutbiene (Sphecodes). Verschiedene Arten haben den offenen Lehmboden unter dem Apfelbaum systematisch nach Nestern von Sandbienen abgesucht.
Eine Wespenbiene (Nomada) flüchtet vor mir. Ich hab nur ein paar unscharfe Fotos hinbekommen, aber es gab mehrere Arten über dem Rasen. Sie sucht nach Nestern ihrer Wirtsbienen um den eigenen Nachwuchs dort einzuquartieren.

Wissen wiederentdecken

Nochmal kurz zurück zu Biene Maja: Ich habe mir den Ursprungstext von „ Die Biene Maja und ihre Abenteuer“ angesehen. In den Büchern Waldemar Bonsels ist Maja eine Biene, die sich nach dem Schlupf nicht wie eine Honigbiene benimmt, sondern türmt um die Welt (also die Wiese) kennen zu lernen. Es ist ein Märchen, aber: Weder wird sie dabei von einer Lehrerin angeleitet noch von einer ängstlichen Drohne namens Willi begleitet.  Der Autor wusste vor 100 Jahren jedenfalls mehr über Bienen als der Durchschnittsmichel heute. Ich habe Hoffnung, dass wir wieder etwas aufholen, seit alle über die Bienen reden…

Diese Biene pennt. Das sieht etwas anstrengend aus – sie hat sich in der Blüte festgebissen und wartet, bis die Sonne sie wach küsst. Andere Arten schlafen in der Nisthilfe.

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